Konzert “Wiesbadener Wiegenlieder”

Von der Sehnsucht nach Ruhe und Schlaf. Musikalisches Nachtstück gegen häusliche Gewalt.

Schlaflosigkeit im Frauenhaus im Zentrum eines Wiegenlieder-Projekts Neues Kunstprojekt von Stefan Weiller am 30.3.2012 um 21 Uhr, Ringkirche

Das Leben im Frauenhaus steckt voller Herausforderungen. Da sind die Verletzungen, die durch häusliche Gewalt an Körper und Seele entstanden sind; da sind die Zweifel, wie es für die Frauen nun weitergehen kann. Mitunter sind auch Kinder von den Entscheidungen betroffen. Die existenziellen Sorgen des Tages führen bei vielen Frauen zu zermürbender Schlaflosigkeit in der Nacht und dem Gefühl von Einsamkeit. Bei Bewohnerinnen im “Haus für Frauen in Not” des Diakonischen Werks Wiesbaden ist deshalb auch immer wieder die Sehnsucht nach Ruhe und Schlaf ein Gesprächsthema. Lebensberichte einiger Frauen fließen nun – mit deren Einverständnis– in ein Kunstprojekt ein, das am 30. März um 21 Uhr unter dem Titel “Wiesbadener Wiegenlieder” in der Ringkirche Wiesbaden aufgeführt wird. Sieben ruhelose Geschichten aus dem Wiesbadener Haus für “Frauen in Not” treffen in einem durchkomponierten “Nachtstück” auf Schlaf- und Wiegelieder. Bemerkenswert ist, dass auch viele Texte der alten und bekannten Schlaf- und Wiegenlieder von Sorgen und Nöten berichten. Die Gegenüberstellung der vertrauten Lieder mit den Erfahrungen heutiger Frauen und Kinder zeigt inhaltliche Parallelen, die ein neues Verstehen sowohl der Musik als auch des Lebens und Erlebens fördern.

Leslie-MaltonNeben Chor und Quartett werden auch Sopran (Christina Schmid) und Mezzosopran (Lena Naumann) zu Harfe (Monica Rincon), Klavier (Hedayet Djeddikar), Orgel und Schlagzeug zu hören sein. Neben den fast 40 Künstlerinnen und Künstlern wird die bekannte Schauspielerin Leslie Malton (siehe Bild) die Wiesbadener Wiegenlieder als Sprecherin begleiten. Leslie Malton ist derzeit im Film “Offroad” in deutschen Kinos zu sehen. Bereits im Januar 2011 beteiligte sich die Schauspielerin an einem Diakonie-Kunstprojekt von Stefan Weiller. Die Veranstaltung wird in dieser Form nur einmal aufgeführt. Mit dem Kunstprojekt, das die Herausforderungen des Alltags mit Musik der Nacht verbindet, soll das Rede-Tabu, das immer noch über dem Thema Häusliche Gewalt liegt, beseitigt werden. Ein neues Nachdenken über Familie und Zusammenleben wird über das Projekt angeregt. Letztlich gilt es, Menschen Mut zu machen, sich aus der Gewaltsituation zu befreien und ein gewaltloses, selbstbestimmtes Leben anzustreben.

Die meisten Frauenhäuser werden unter einer geheimen Adresse betrieben. Damit sollen die Frauen und Kinder im Haus vor Übergriffen und Stalking geschützt werden. Das Projekt Wiesbadener Wiegenlieder öffnet auf sensible und verantwortungsvolle Weise den Blick in das Erleben der Frauen und Kinder im Haus. Ungeschönt, ohne Hinzufügungen oder Vermeidungen werden die Erfahrungen der Frauen in intensiven Texten nacherzählt. Zum Schutz der Frauen wurden die Geschichten anonymisiert. Einige Erfahrungen, die im Projekt zu hören sind, wurden in einer Frauenwohneinrichtung aus Frankfurt (Zentrum für Frauen, Diakonie Frankfurt) gesammelt. Die Texte wurden von Stefan Weiller verfasst, von ihm in eine einheitliche Sprache und einen speziellen Stil gebracht. Als Grundlage dienten Einzelinterviews, die in einigen Gesprächspassagen in englischer Sprache geführt wurden, wenn sich dadurch für die befragten Frauen bessere Ausdrucksmöglichkeiten ergaben.

Das Projekt ist regional bezogen, aber zugleich international, da Frauen unterschiedlicher kultureller Herkunft ihre Geschichten für das Projekt erzählten. Von Deutschland, Russland, afrikanischen Ländern bis hin nach Asien reicht die Spanne der Geschichten. Eines ist allen gemeinsam: Alle Frauen haben im Raum Wiesbaden und Frankfurt traumatische Erfahrungen häuslicher Gewalt erlebt, von der mitunter auch Kinder betroffen waren. Die Altersspanne der befragten Frauen reicht von Anfang 20 bis Mitte 60, wobei Gewalt in den erzählten Geschichten nicht immer nur von Männern aus ging. Das Projekt beschäftigt sich auch mit dem Leben nach der häuslichen Gewalt: Wie verändert sich das Leben nach solchen Erfahrungen? Hohe gesellschaftliche Relevanz entsteht im Projekt auch durch die Frage, wie Integration, berufliche und persönliche Anerkennung in Deutschland für Zuwanderinnen gelingt, die vor häuslicher Gewalt fliehen mussten und nun eine unabhängige Existenz aufbauen müssen.

Die Vorbereitungszeit dieses aufwendigen Abends betrug 18 Monate und seit vielen Wochen laufen musikalische Proben. Die Schirmherrschaft teilen sich Saskia Veit-Prang (Frauenbeauftrage der Landeshauptstadt Wiesbaden) und die Frauen Service Clubs Wiesbaden. Das Projekt wird unter anderem vom Frauenreferat der Landeshauptstadt Wiesbaden gefördert. Weitere Förderer sind unter anderem das Evangelische Dekanat Wiesbaden, Stiftung Winterreise, Bea-Stiftung, Ringkirche Wiesbaden.

Damit kulturelle Teilhabe nicht vom Einkommen der Besucher abhängt, bleibt der Eintritt frei. Um Spenden für das “Haus für Frauen in Not” des Diakonischen Werks Wiesbaden wird gebeten.

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